Von heute

Die liberalen Kassandras

In der griechischen Mythologie war Kassandra die Seherin, die stets die Wahrheit sprach, deren Warnungen aber niemand glaubte. Dieses Motiv hat in der Geschichte viele Entsprechungen gefunden – nicht nur in der Mythologie (etwa Laokoon, der vor dem Trojanischen Pferd warnte), sondern auch in Religion, Politik und Wissenschaft.

Gerade in der Geschichte des Liberalismus findet man eine ganze Reihe solcher „Kassandras“. Liberale Denker wiesen immer wieder auf die langfristigen Gefahren staatlicher Eingriffe, Machtkonzentration oder monetarer Manipulation hin. Doch ihre Zeitgenossen wollten meist nichts davon hören. Erst später bestätigten sich viele ihrer Prognosen.

Frederic Bastiat (1801–1850)

Zwischen einem schlechten und einem guten Okonomen besteht dieser Unterschied: Der schlechte berücksichtigt nur den sichtbaren Effekt, der gute berücksichtigt auch den unsichtbaren.

Bastiat warnte, dass Subventionen und Zolle kurzfristig Vorteile schaffen, langfristig aber Wohlstand zerstoren. Zeitgenossen belächelten ihn, heute ist dies eine zentrale Einsicht der Volkswirtschaftslehre.

Alexis de Tocqueville (1805–1859)

Die absolute Herrschaft eines Menschen wurde schlimmer sein als die Willkur von Millionen, aber die Willkur von Millionen kann ebenso todlich sein.

Tocqueville warnte vor „sanftem Despotismus“ und Mehrheitswillkur. Kaum beachtet im 19. Jahrhundert, heute wieder aktuell.

Ludwig von Mises (1881–1973)

Es gibt keine Moglichkeit, den endgultigen Kollaps eines Booms zu vermeiden, der durch Kreditausweitung erzeugt wurde. Die einzige Wahl ist: entweder die Krise fruher durch freiwillige Aufgabe der Kreditexpansion herbeifuhren oder spater als endgultige Katastrophe des Wahrungssystems.

Mises warnte vor Interventionismus und Inflation. Seine Zeitgenossen ignorierten ihn, die Geschichte bestatigte seine Analysen.

Friedrich August von Hayek (1899–1992)

Der sicherste Weg zur Knechtschaft ist, wenn wir unsere Freiheit fur die Illusion von Sicherheit opfern.

Hayek warnte vor Planwirtschaft und Zentralisierung. Lange verspottet, nach dem Fall der Sowjetunion weitgehend bestatigt.

Milton Friedman (1912–2006)

Inflation ist immer und uberall ein monetares Phanomen.

Von Keynesianern lange abgelehnt, bis die Stagflation der 1970er-Jahre seine These bestatigte.

James Buchanan (Public Choice)

Politik ohne Romantik: Wir durfen nicht glauben, dass Politiker von hoheren Motiven getrieben werden als alle anderen Menschen.

Buchanan und die Public-Choice-Schule erklarten Politik als Interessenkalkul. Lange unbeachtet, inzwischen vielfach belegt.

Nassim Nicholas Taleb (geb. 1960)

Wir sind Geiseln von seltenen Ereignissen, die wir nicht vorhersehen konnen – und gerade deshalb mussen wir uns robust machen.

Vor 2008 als Schwarzmaler abgetan, nach der Finanzkrise weltberuhmt.

Fazit

Von Bastiat bis Taleb zieht sich ein roter Faden: Liberale Denker warnten vor den Gefahren kurzsichtiger Politik und okonomischer Illusionen. Sie sprachen Wahrheiten aus, die niemand horen wollte, und wurden dafur verspottet oder ignoriert. Doch wie Kassandra behielten sie recht.

Man konnte sagen: Der Liberale als Typus ist die Kassandra der politischen Theorie – stets warnend, selten erhort, und doch unverzichtbar.

Ich behaupte, in diese Kategorie fallen zumindest weite Teile dieses Blogs. Gelesen wird er täglich nur zwischen 5-30 Leuten. Eine große Anhängerschaft ist nicht zu vermuten, gelegentlich wird er bei LePenseur zitiert. Sonst aber kaum. Er ist ein Randblog am liberalen Rand einer weitgehend illiberalen WWW.

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